Dass Prag eine sehr schöne Stadt ist, war mir von Anfang an bewusst, doch das erste Jahr ließ nicht wirklich zu, die goldene Stadt über die Touristenattraktionen hinaus zu erkunden. Die Karlsbrücke, der Wenzelsplatz, sowie die Burg und ein Teil der Innenstadt waren der Hauptteil von den uns bekannten Orten in Prag. Doch das änderte sich im zweiten Jahr zu unserer Freude. Auch wenn Biochemie erst einmal einschüchternd für viele Studenten klingt, ist es doch deutlich weniger Arbeit als Anatomie im ersten Jahr. Von nun an waren nette Abende in Bars, Restaurants oder Parks keine Seltenheit mehr. Es gibt ein sehr altes, schönes Kino auf dem Wenzelsplatz namens Lucerna, in welchem ich einen Auftritt vom Comedian Daniel Sloss sah. Insgesamt fühlte sich das Leben so mehr wie ein "Studentenleben" an. Auch mein Trainingsrhythmus normalisierte sich, vor allem im Laufen, und so nahm ich Anfang April am Halbmarathon teil. Eine tolle Szenerie an der Moldau entlang und auch eine interessante Erfahrung die Profis auf der anderen Straßenseite um den Sieg kämpfen zu sehen.
Hier gibt es wirklich für jeden etwas. Neben unzähligen Studenten, viele auch international, gibt es viele Sportveranstaltungen, Bars und Clubs für jeden Musikgeschmack, Museen, Parks und vieles mehr. Im ersten Jahr wurde mir die Vielfalt dieser Stadt nicht richtig bewusst, denn man findet solche Dinge erst, wenn man abseits der Touristenrouten einfach mal ziellos durch Gassen und Straßen schlendert. Doch neben Prag konnten wir auch andere Städte besichtigen wie Bratislava und Budapest, wobei ich Budapest eindeutig bevorzuge. Allerdings dauert die Fahrt mit dem Bus ungefähr acht Stunden. Nur in Tschechien möchte ich nächstes Jahr mal etwas mehr Städte besuchen, bisher war ich weder in Brünn noch in Pilsen oder in Karlsbad.
Doch auch wenn ich an manchen Abenden jetzt etwas mehr Zeit hatten, wurde trotzdem noch fast täglich am Schreibtisch und in der Uni verbracht, doch für mich und meine Kommilitonen war der Unterschied zum letzten Jahr enorm, sodass es uns nicht so schwer viel. Physiologie war zudem auch mein Lieblingsfach in der Vorklinik, da hier endlich mal weniger das Auswendiglernen im Vordergrund stand, sondern mehr die Abläufe im Körper zu verstehen. So kommt man dem Gefühl Medizin zu studieren schon etwas näher. Das war in den Biochemie-Seminaren im Labor nicht wirklich der Fall. Wofür ich Titrationen oder andere chemische Experimente können muss, bleibt mir wohl noch etwas länger ein Rätsel. Doch das fragwürdigste Fach für mich ist und bleibt Informatik. Warum wir in die Uni kommen müssen um uns erklären zu lassen wie man recherchiert, kann sich bei uns niemand erklären. Die Zeit hätte man besser in der Bibliothek beim Lernen verbringen können. Der Kurs ging aber zum Glück auch nur zwei Monate.
Die intensive Prüfungsvorbereitung in der Bibliothek war mal wieder halb so schlimm mit meinen Freunden, da wir öfters zusammen Mittag in der Nähe der Bibliothek gegessen haben und den einen oder anderen (oder noch mehr) Kaffee zusammen getrunken haben, um zwischen dem Lernen mal etwas den Kopf frei zu bekommen.
Die Vorfreude auf den klinischen Teil ist jetzt ziemlich groß, denn als nächstes stehen Fächer wie Pathologie und Pathophysiologie an. Auch wenn ich mich erst einmal auf die Semesterferien freue, werde ich das Leben hier in Prag mit Sicherheit nach ein paar Monaten wieder vermissen und endlich ins dritte Jahr starten. In der Zwischenzeit könnte ich ja etwas Tschechisch wiederholen, aber da würde ich mir etwas vormachen, wenn ich mir das vornehmen würde.